
Otto
Loop 1876 - 1947 |
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Diese Dorfgeschichte basiert auf der
Erzählung
>De Buurmeen Rad<
(die
Bauerngemeinde Rade),
die Otto Loop in Plattdeutsch
verfasst hat.
Seine
Aufzeichnungen führen uns von Anbeginn des Ortes bis etwa in
die Dreißiger
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zum
Origonal |
Da die
geschriebene Plattdeutsche Sprache schwer zu lesen und die
Schrift in dem Heftchen vielen fremd ist, habe ich den
Text ins Hochdeutsche und in 'Reinschrift' übertragen -
auch möglichst wörtlich, um zu vermitteln, wie man im
Plattdeutschen so schnacken tut. Die Erzählung erhebt
also keinen Anspruch auf literarische Feinheiten, ist aber
wohl durch die Ursprünglichkeit ein bemerkenswertes
Zeitdokument. Verschiedene Begriffe konnte ich allerdings
nicht zuordnen. Einige 'Gedankensprünge' des Autors
bedürfen auch der Phantasie des Lesers.
Ergänzenden Anmerkungen habe ich - gerahmt - u.a.
seiner Chronik entnommen. Also, diese Dorfgeschichte will
auch unterhaltsam und keine trockene Chronik sein.
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Erich
Maletzke 'Die
Schleswig-Holsteiner
Da
sind wir zu Hause - mitten in Holstein.
Unsere
Vorfahren: die
Holsaten
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Rade
hat seinen Namen wohl von ausroden, denn anzunehmen ist, dass
hier vor vielen Jahrhunderten nur Wald gewesen ist. Beim Gräben
Reinigen stößt man häufig auf Stubben, ganze Eichenstämme
und Haselnüsse in den Moorwiesen. Es wurde ja festgestellt,
dass nach der Eiszeit das Land bedeutend abgesackt ist. Die
jetzigen Moore und Brooken sind ganz voll Wasser gewesen, wo die
Bäume und Pflanzen reingetrieben sind. Mit den
Jahren sind sie wieder aufgeschlickt und getrocknet, daher wohl
der Name ‚Füürholt‘. Der Grund hierfür mag sein, man sich
früher dort Feuerholz geholt hat oder auch der Wald ist
abgebrannt. Im Dorf haben alle Bauern eine Wiese, die ‚Füürholt‘
heißt.
Im
‚Liethbarg‘, ‚Winnbeeksbarg‘ und ‚Krückenwisch‘ ist
noch ein kleiner Beweis wie das Wasser sich nach der Eiszeit
reingewühlt hat. An beiden Stellen ist eine große Schlucht
entstanden (im ‚Lietbarg‘ wohl 10 Meter tief). Der Sand hat
sich nachher auf den Koppeln wieder abgelagert. Deshalb ist der
Boden dort recht trocken. Der Sand ist auch viel feiner. Die
Pflanzen und Bäume sind weiter in den Grund getrieben worden,
in die jetzigen Wiesen. In der ‚Krückenwisch‘ ist noch ein
kleiner Bach, der nun zu Fischteichen gemacht worden ist. Oben
vom ‚Lietbarg‘ und ‚Winnbeeksbarg‘ hat man eine
herrliche Aussicht zum Störtal rüber.
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Hügelgrab aus der Steinzeit
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Die
abwechslungsreiche Landschaft war schon für die
Steinzeitmenschen ein idealer Lebensraum, was viele Hünengräber
in der Gegend belegen. Die
ersten Ansiedler haben hier die ‚Wischhööv‘ (in der Dorfmitte)
urbar gemacht und sich an dem kleinen Dorfbach angebaut, so dass sie leicht
Wasser für ihren Gebrauch hatten. Pumpen haben sie ja noch
nicht gekannt. Sie haben wohl Ziehbrunnen gehabt.
Der Bach fließt in den Bullenbeek, der am östlichen Dorfrand
verläuft und in der Stör mündet.

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Die
Gemarkung ist 400 Hektar groß und hat 35 Haushalte.
Die Lage ist gut, schöne feste Wege. Die Ländereien liegen
nicht so weit vom Haus entfernt. Der Boden ist sandig, grantig,
bindig und grau anmoorig. Die Wiesen sind Moor- und Stauwiesen.
Die Bauernstellen sind ursprünglich alle reichlich 100 Tonnen
(2 Tonnen = 1 Hektar), die der Halbbauern so bei 25-30 Tonnen groß
gewesen. Die ersten Stellen waren klösterlich oder gräflich, das heißt ihre Abgaben mussten sie
entweder an das Kloster Itzehoe oder an die Grafschaft
Breitenburg abliefern. Das kam so: das Kloster in Itzehoe, das
um 1230 von dem holsteinischen Grafen Adolf IV gegründet wurde,
hatte große Besitzungen ganz bis hin nach Nortorf und Kiel. Die
Grafschaft ist 1526 von Johann Rantzau gekauft worden. Davor
gehörte es noch zum Kloster Bordesholm.
Am Anfang hatten
die Klöster und der Adel große Macht, was hauptsächlich die
Hoheitsrechte betraf. Seit der Reformation wurde es weniger. Das
Kloster Itzehoe ging 1541 zur Reformation über.
Die katholische Kirche hatte zuvor das Kloster zu einer Versorgungsanstalt für die unverheirateten adligen Töchter und
Witwen gemacht. Eine
gute Einrichtung, die noch heute besteht.
Bis
ins 15. Jahrhundert waren die Bauern nur Hörige oder unfrei
gewesen. Durch die vielen Kriege waren die Abgaben und Lasten so
groß geworden, dass die Bauern vielfach davon liefen und die
Höfe wüst liegen ließen, die ihnen auf Lebzeiten übertragen
worden waren. Das Schlimmste war jedoch die Belehnung, die der Bauer zu
bezahlen hatte. Übergab der Vater den Hof zur Bewirtschaftung
an seinen Sohn, so musste dieser ‚budeelen‘, das heißt, er
musste das Inventar und Vieh mit seinem Grundherrn teilen. Der
Bauer hatte kein Eigentumsrecht an Hof und Inventar. Der
Grundherr lieh dem Sohn die erste Aussaat. Nach der Ernte musste aber
doppelt wieder zurückgezahlt werden.
Für jedes Tier, das groß gemacht wurde, musste eine
Abgabe geleistet werden, sogar vom Federvieh. Wenn ein Tier
geschlachtet wurde, musste die Haut abgeliefert werden, ebenso
Eier Butter und Honig und für jeden Faden Holz etwas. Beim
Wegebau (Intraden) musste geholfen werden. Bei den Gespann Einsätzen
für die großen Kanonen und Arbeitsdienst gingen häufig 2 Tage
in der Woche verloren, dass der Bauer in der Ernte sein eigenes
Korn nicht nach Hause bekam.
Im
17. Jahrhundert wurde es besser und die Lasten weniger. Der Hof
ging in Erbpacht über und nach gewissen Jahren wurde er
Eigentum. Einige Lasten sind aber lange bis 18-hundert
in den Siebzigern geblieben wie Kälbergeld, Schweinegeld,
Hühnergeld, Holzhauer Geld und Intraden
und Kanon. Die Klostervögte und Dingvögte, die einen
großen Bezirk hatten zum Beaufsichtigen der Bauernhöfe, wurden
kräftig ‚beschmust‘ (bestochen).
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So
wurde den Untergehörigen befohlen, die 'Contribution' zu
bezahlen.
In
diesem Heft wurden die Zahlungen quittiert.
Unter
preußischer Verwaltung wurden diese Forderungen 1867
abgeschafft.
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Da
in der bisherigen Unordnung in der Bezahlung der Gefälle
nicht länger nachgesehen werden kann und es durchaus
erforderlich, daß für jede Vogtey ein bestimmsamer
Hebungstag angesetzt werde; so wird den sämtlichen Klösterlichen
Untergehörigen der Vogtey Hennstedt
mit Vorbehalt der gesetzlichen Termine befohlen, daß sie
jedesmal am ersten Mittwochen der Monate März, Junii,
September und December Termin den ersten, zweyten, dritten
und vierten Termin Contribution bezahlen sollen. Mit dem
zweyten Termin werden von den Beykommenden die
Pfingstzinsen, das Mühlen- und das Lämmergeld, mit dem
dritten Termin das Schweinegeld und mit dem vierten Termin
Procentensteuer, Mattini- und Umschlagzinsen und alle übrige
Poste bezahlt. Die neue Steuer muß im 4ten Qartal von dem
bestmmten Hebungstage zusammen gebracht seiyn, daß selbe
vom Sammler zugleich mit eingebracht werden kann. Vor dem
angesetzten Tage wird durchaus keine Hebung angenommen. Säumige
aber, welche ausgeblieben, sich jedoch am zweyten Montage
der zur Hebung angesetzten annoch einfinden, soll die
Hebung des doppelten Schreibgeldes abgenommen werden;
denjenigen aber, welche sich sodann noch nicht
eingefunden, soll von selbst und ohne Anzeige die
Execution auf Acht Tage mit täglich Einem Schilling von
jedem zu bezahlenden Reichsthaler zugelegt seyn; jedoch
so, daß die tägliche Execuition die Summe von zwölf
Schilling nicht übersteigen und diese Executionsgelder
jedesmal in den Quitungsbüchern mit quitiert und zum
Besten der Eriminalkasse berechnet werden sollen.
Denjenigen, welche in diesen 8 Tagen auch noch nicht alles
bezahlt, wird auf ihre Kosten zur Eincassierung ein
besonderer Bote zugeschickt werden, worauf die da noch in
Rückstand gebliebenen mit der Pfändung verfahren werden
wird.
Wonach sich
zu achten
Itzehoe 12ten Februar 1805
v.Brockdorff
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Die
Ländereien der einzelnen Hofstellen sind gut verteilt. Jeder
hat Hochland, Niedrigland und Wiesen, bisschen Moorland und
Wald. Holz aber nicht allein für den eigenen Gebrauch. Da war
jedoch immer etwas zum Verkauf übrig. Jeder Bauer konnte wohl 10 Faden
Kluffholz verkaufen. Das Knüppelholz wurde meist in den
Haushalten verbraucht, wohl so viel wert wie Torf. Auch nach
Kellinghusen ging viel hin. Die Handwerksrechnungen wurden häufig
anteilig mit Holz oder Torf bezahlt.
Anfangs
waren die Wege ja nicht so besonders. Die Bauern konnten
ihre Produkte dennoch gut an den Mann bringen. An der Stör
hatten sie eine Schiffstelle, wo sie hauptsächlich Holz
hinfuhren. Von dort wurde es geflößt oder mit kleinen Ewern in
die Marsch und nach Hamburg transportiert. Am 22.8.1739 sind
sich die Bauern hierfür vertraglich einig geworden: Das Schriftstück wurde
unterschrieben von Hans Runge als Käufer für die
Bauerngemeinde sowie Carsten Gloy, Johann Schlüter und Tewes Kröger
als Verkäufer. Die Schiffsstelle lag an der Bollenwiese und war
22 Schritt breit und 30 Schritt lang. Das Land gehört nun zum
Hof Carolinenthal.
Die
Stör schlängelte sich damals wie eine silberne Schlange durch
die grünen Wiesen.
(siehe Karte). Das Wasser war hell und klar mit einer Menge
Fisch darin. Da hat sich mancher eine Mahlzeit raus geholt. Aber
wenn das starken Regen gab, wurden die Wiesen gleich alle blank.
Das war dann im Sommer in der Heuernte ein großer Übelstand.
Vielfach trieb das Heu alles weg. So traf das manchmal zu, wenn
das ein großes Gewitterschauer gegeben hatte, dass der ganze
Haushalt hin musste, um das Heu aus dem Wasser zu fischen und
auf das Trockene zu schleppen. Wenn das Gras nicht gemäht war
und ein paar Tage im Wasser stand, dann hatte es auch schon
viel an Wert verloren. Im Winter bei Tauwetter und Westwind war
häufig alles ein See und überschwemmte das Land weit zurück.
Aber das war wiederum von Vorteil, denn viel Schlick lagerte
sich ab und war ein guter Dünger. Mit den Jahren verschwand der
Fisch immer mehr, denn in Neumünster ging es der Industrie
immer besser und man ließ das faule Wasser in die Stör laufen
bis nichts mehr leben konnte. So ab 1908 ist die Stör begradigt
worden, dass das Wasser schneller ablaufen konnte. Schmutzig ist
es doch geblieben und die Fische sind nicht wieder gekommen.
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Ursprünglich
konnte die Stör einen paradiesischen Fischreichtum,
hauptsächlich Karpfen, Forellen und Lachs,
aufweisen. Mit dem
Abwasser der Lederfabriken in Neumünster wurde der
Fluss jedoch zu einer übelriechenden Kloake, die
alles Leben darin zerstörte. Milzbrand-Sporen
verseuchten das Wasser und die überschwemmten Wiesen. Registriert
wurden in 20 Jahren fast 1.300 verendete Rinder in den Gemeinden der oberen
Störniederung. Um nach
der Störbegradigung künftig die Wiesen trotzdem
noch berieseln zu können, wurde bei Störkathen ein
Sperrwerk gebaut (alter Flusslauf siehe Karte). Doch als danach die Seuche erneut
auftrat, wurde kein weiteres Mal geflutet. Das
Sperrwerk ist noch erhalten, aber die Stör wurde
nie wieder gestaut. Die Wiesen waren über viele
Jahre unbrauchbar geworden.
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Ursprüngliches Flussbett |
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Von
den Bauernwäldern wurde ein Teil gesägt. In Bondenwäldern
hatte der der Besitzer früher nur Weichholznutzung und Weidegerechtsam (das Recht zum Weiden der
Tiere). Die Hartholznutzung behielt sich das Kloster oder
die Grafschaft vor. Diese Gerechtsam
ist bei dem Loop‘schen Hof
22.11.1780 von seinem Voweser Claus Gloy abgelöst worden
für 100 Mark grober, klingender Courant-Münzen. Das Schriftstück
ist unterschrieben von ‚von
Ahlefeld, Graf von Brokdorf‘ als Verkäufer und ‚Claus Gloy‘
als Käufer. 2 große Lacksiegel sind beigedruckt.
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Kartoffelernte auf 'Bestenstücken'
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An
Korn wurde hier hauptsächlich Roggen, Hafer und Buchweizen
ausgesät. Auf dem Hochland, das größtenteils Bestenstücken
heißt, lohnt es sich am besten, daher der Name. Hier verfror
und vertrocknete es nicht so leicht. Aber auf dem Grauland wuchs
ganz schön Korn, nur wog es nicht so viel. Jeder Bauer hatte
eine Hasselkoppel und Olkoppel,
das war schönes Kartoffelland. Auch ein Stück Störmoor
dicht an der Stör, da wuchsen schöne Rüben und
Futterkartoffeln. Da sind noch mehr Namen auf der Flurkarte: Damskoppel
und Möölenbrügg. An
dem Weg nach der Stör hin geht ein kleiner Bach. Der Weg daneben ist
der Damm gewesen. Daher der Name. Anzunehmen ist auch, dass da
vor vielen Jahrhunderten an dem Bach eine Mühle gestanden
hatte. Daher der Name Möölenbrügg
und Möölenkamp. Dann gibt es noch Winnloh,
Lohholt = Wald an der
Grenze; Lietkoppel =
Koppel an der Lieth; Hönerkampen,
die liegen warm am Wald. Da haben wohl die Rebhühner im losen
Sand gebuddelt und sich das Fressen in den angrenzenden Brooken
gesucht. Moosbrook,
der etwas höher gelegen und mit Moos bewachsen ist; Bekwisch
= Wiese am Bach; Heidkoppel
= Koppel in der Heide; Heideschen
= Eschen in der Heide; Reetbrook
= in dem Brook hat Reet gewachsen; Hochwurt
= Anhöhe. Vielfach haben sie auch den Namen nach der Figur
bekommen, zum Beispiel: Kielkoppel,
Krückenkoppel, Soldotenhot, Kapuz und
Dreeangel.
Die
Wälder sind ursprünglich Laubwälder gewesen, hauptsächlich
Eichen. Da war der Lietbarg,
Krücken, Horn, Dauhorn, Eggerskroog und Apenrad,
der letzte Wald vorm Dorf von wo man oben Rade sehen konnte.
Nach der Reichsgründung
1871 wurden gusseiserne Ortsschilder
eingeführt.
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Die
Koppeln wurden achtzehnhundert in den Siebzigern vermessen. Da
kam auch das Katasteramt. Die Grenzen der Koppeln sind mit schönen
Knicks bepflanzt, wo die kleinen Vögel gern bauen. Die Wiesen
sind durch breite Gräben markiert. Steine sind nicht viel
gesetzt worden, nur an den Dorfgrenzen.
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Infolge der Urbarmachung
der Felder und der
Rodungen diente
die Bepflanzung der Knickwälle dem Windschutz.
Die
Büsche wurden abgeknickt und als Zäunung
miteinander verbunden.
Die Landschaft prägenden Knicks wurden
hier zum einzigartigen Naturraum für eine vielfältige
Fauna und Flora.
Der Begriff 'auf Biegen und
Brechen' hat hier seinen Ursprung. |
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Letzte Reste dieser ursprünglichen
'Knickkunst' findet man noch auf alten,
erhaltenen Knicks.
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Für
die Errichtung der Grenzknichs:
die
'Öcconomisch-practische Anweisung'
klick
hier |
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Die Hälfte der Wiesen wurde einmal gemäht
und nachher begrast, das andere wurde zwei Mal gemäht. Jeder hatte eine Stauwiese, da kam immer eine Menge Heu
runter.
Roggen
war immer die Hauptfrucht, wobei der größte Teil verkauft
wurde. Hafer und Buchweizen gab es nicht so viel. Kartoffeln
wurden auch viel verkauft, Rüben wurden nur ein paar gepflanzt.
Auch ein kleines Stück mit Weizen, Gerste, etwas Leinsaat und
Hanf wurde ausgesät.
Für
die Kühe wurde zur Hauptsache Roggen- und Haferschrot verfüttert,
aber nur die gekalbt hatten bekamen etwas. Die Schweine bekamen
Roggen- und Buchweizenschrot. Viele Schweine waren da nicht.
Paar Säue und wohl 10 wurden fett gemacht; die Hälfte wurde für
den Haushalt geschlachtet und die anderen verkauft. Ganz früher
waren die Schweine die halbe Zeit im Wald und fraßen sich an
den Eicheln und Bucheckern fett. Im gräflichen Hofwald in
Rosdorf sind noch paar
Stellen mit Wällen erhalten, wo die gräflichen Bauern
angewiesen worden waren, ihre Schweine zu hüten.
An
Kühen sind hier wohl immer die rotbunten gangbar gewesen. Die
Pferde hatten meist dänischen Einschlag. Die Schweine
waren große Schlappohrige.
Jeder Bauer hatte 4
– 6 Schafe, damit er Wolle im Haushalt hatte. Auch hatte jeder
ein paar Bienenstöcke. An Federvieh waren da Hühner, Enten und
Gänse. Die Enten und Gänse wurden hauptsächlich wegen der
Federn gehalten. Allerdings wurde die fette Martinsgans auch
nicht verachtet.
Bei
jeder Bauernstelle war meist ein freistehender Backofen. Die
Arbeiter auf der Nachbarschaft konnten auch damit backen. Das
Roggenmehl wurde ausgesiebt und Brot und Deverschnitt
davon gebacken. Von dem angebauten Weizen wurde Stuten gebacken;
von der Gerste und dem Buchweizen wurde Grütze und Mehl
gemacht, so viel wie gebraucht wurde. Morgens gab es immer
Buchweizengrütze und abends gebratene Buchweizenklöße. Das war
eine Derbe, aber gesunde Kost.
Es
wurde nicht viel dazu gekauft; sie konnten es nicht und das tat
auch nicht nötig. Was sie zum Lebensunterhalt brauchten, hatten
sie meist alles selbst, auch ihre Kleidung. Aus einem Gemisch
von Schafwolle und Leinen wurde Beiderwand,
Fiefkamp und Twetritt gemacht; von der Wolle wurden Strümpfe
gestrickt; aus Flachs und Heede, fein und grob, Leinen gesponnen.
Das Zeug hielt ein Leben lang aus. Sie sagten damals: Was ich
nicht bezahlen kann, darf ich mir nicht kaufen. Das müsste
heute noch so sein. Ein Versprechen galt mehr als heute ein großer
schriftlicher Vertrag.

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Nach diesem
Muster des niedersächsischen Bauernhauses waren hier auch alle alten
errichtet
worden. Später hat die Bauernfamilie ihre eigene Wohnung
ausgebaut, die immer der Straße abgekehrt war. Die Kuhställe wurden durch Anbauten um 1900
erweitert. Wie das Dach wurden dabei auch die Seiten im
oberen Bereich in Blech ausgeführt. Nach einem Feuer wurde
das alte Gebäude häufig abgerissen und durch ein
'moderneres' ersetzt. |
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Die Hofstellen im Dorf sind mit
großen Eichen und Linden bepflanzt, einigen uralten, die wohl
manchen Sturm erlebt und überstanden haben. Alle
Bauernhöfe sind alte Familienhöfe, die ich nachfolgend
beschreiben will. An Gebäuden war das ein Wirtschaftshaus mit
Wohnung. Die Pferde und Kühe standen an der großen Diele. Vor
den Ställen waren Klappen, die beim Futtern hoch gemacht
wurden.
Die
Diele, wo wintertags
mit einem Flegel gedroschen wurde, war so groß, dass da
bequem 4 Kornwagen stehen konnten. Das war für die Kinder ein
besonders schöner Spielplatz zum Versteckspielen. Die kleinen Mädchen
spielten Ringelreigen, die Jungen Pferd und Soldat. Auf den
Steinen neben der Großtür, wozu man Hun (Hunde) sagte, da saß
es sich so schön und das Butterbrot schmeckte da noch mal so
gut. Eine Hillenleiter stand immer auf der großen Diele zum
Raufklettern auf die Hillen
(seitlich über den
Ställen)
Da wurden dann Eier gesucht. Die Hühnerwieben
waren hier auch. Hier oben war es ja immer schön warm. Von
den Pferdehillen, wo das Heu drauf war, wurde ein wenig Heu auf
die Röög geworfen
und die weichen Samtlippen der Pferde bewundert.
Eine lange
Leiter ging auf den Hochboden wo die jungen Katzen
herumkletterten und spielten. Jedem gehörte eine kleine Katze
und man hatte auch einen Namen für sie. Wenn es keiner sah,
dann wurde da oben raufgestiegen und dann mit viel Mühe über
das Haferstroh geklettert zum Eulennest. Obwohl sie eine gewisse
Angst vor den Eulen hatten, wurde es doch immer wieder versucht.
Die Kinder waren bange gemacht worden, dass die Kattul
(Schleiereule)
mit ihrem großen Gesicht ihnen die Augen auskratzen.
Die
Knechtenkammer
lag neben
dem Kuhstall. In der Wand war eine kleine
Luke, die nachts offen war, damit sie hören konnten, wenn im
Stall etwas los war. Neben dem Pferdestall war die Deernskammer.
Und dann kam der Keller. Die Küche war auf der Großdiele. An
der Decke hingen Speck und Würste. Es waren ja auch Rauchhäuser.
In der Mitte der Küche war ein Schwibbogen
(Rauchfang) mit einem
offenen Herd, wo der kupferne Kaffeekessel hing. An den Wänden
waren Richen mit
Wasserkesseln, alle aus Messing und Kupfer, Zinnteller und Bierkrösen. Das war der besondere Stolz der Bauersfrau. An den
Seiten standen alte Eichenschränke und Koffer mit kunstvollen
Messingbeschlägen. In der Döns, wo weißer Sand gestreut
wurde, war ein Beilegerofen mit bunten Kacheln. Die Wände waren
mit Paneel benagelt oder wie man heute sagt, getäfelt. Auf jede
Tafel war ein schmucker Blumenstrauß gemalt. Zwei Betten waren
in der Wand (Alkoven) mit Schiebetüren davor. Eine große Uhr
mit zwei blanken Messing-Loten hing da und vielfach der
eingerahmte Brautkranz der Bäuerin. Über den Stuben war der Kornboden; da wurde auf den Hochboden das Korn raufgestakt.
Neben
dem Kuhstall lag der Misthaufen, schön vierkantig wie ein großer
Kasten aufgepackt. Hinter dem Haus stand meist eine Reihe Lindenbäume,
so dass das Haus knapp zu sehen war, zum Schutz gegen Wind und
Flugfeuer. Dann kam der schmucke Krauthof mit den Blumenrabatten
und allen möglichen Blumen: Schneekieker (gelbe und weiße),
Zettelröschen, Botterbloom, Karkenflötel, Dusenschön, Blaukülen,
Osterbloom, Eidotter, Rüükveilchen, Buurrosen und noch mehr.
An Sträuchern waren da: Jasmin, Sneeballen, Goldregen und Pfingstrosen. Im Sommer kamen die Georginen und an Herbsttagen
die Astern. An dem
Krauthof, der man klein war, kam der Gemüsegarten und daneben
der Apfelhof. Der Bauer holte sich Ableger von den Holzäpfeln
und veredelte sie mit Sorten, die hier gut trugen. Das waren
Striepappeln, Pannkokenappeln, Bruutappeln, Augustappeln,
Melonen und Grafensteener. Beeren waren da frühe und
Winterbeeren. Ein ganz alter Birnbaum stand auf dem Hofplatz.
Die meisten Pflaumenbäume mit blauen, roten oder gelben
Eierpflaumen waren sehr alt und schief geweht, trugen aber tüchtig.
In
der Scheune war ein Grundfach, ein Wagengang, Fohlen, Jungtier-
und Schafstall, eine Klüterkammer, sowie Eggen, Pflüge und ein
Gelass für Holz und Torf. Auch wurde hier das Heu eingefahren.
Der
Schweinestall hatte 4 – 6 Boxen. Auf den Boden gehörte das
Buchweizenkaff, das zum Schweinefutter dazu kam. Neben dem Stall
war die Backstube mit Backofen, einem Schmorkessel und
Waschgrapen.
Eine
Altenteilerkate mit Kuh- und Schweinestall an der Großdiele
stand neben der Hofstelle. Der Altenteiler hatte meistens 3 Kühe,
paar Schweine und so viel Land, dass er seine Tiere gut
durchbekommen konnte. Die Arbeit musste alles der Bauer machen.
Die
Dächer aller Gebäude waren mit Reet gedeckt, nur auf dem
Schweinestall war ein Pfannendach. Das Haus, die Scheune und die
Kate waren Fachwerk. Nur der Schweinestall hatte Brandmauern.
Der
Arbeitsgang auf dem Hof war so: Im Winter wurde morgens um 5 Uhr
aufgestanden. Die Mädchen mussten erst melken, der Futterknecht
musste den Mist aus dem Kuhstall karren. Das war, wenn es sehr
kalt war, eine langweilige Arbeit. Die Stalltür musste immer
schnell wieder zu gemacht werden, damit die Kühe sich nicht erkälteten.
Wenn die Mägde ausgemolken hatten, musste er den Mist
rausheben und den Kühen Heu vorgeben. Die Knechte mussten die
Pferde füttern und in der Zwischenzeit mit dem Schlegel
rumdreschen. Im Kuhstall hing nur eine kleine Leuchte am Nagel,
davon konnte man nicht viel sehen. Auf der Diele war die Leuchte
ein wenig größer und hing an einem Pfahl mit einem Klotz dran.
Viel Licht brauchten sie aber auch nicht. Der Futterknecht
wusste genau, wo das
Haferstroh lag.
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Sämtliches Korn und Gras wurde
mit der Sense gemäht, bis Ende 1870 die
ersten Mähmaschinen kamen. |
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Von den Knechten wurde vom Herbst bis zum
Frühjahr mit dem Flegel im Dreiklang - "klipp -
klapp - klipp" gedroschen- . |
Ende 1870 kamen zuerst die Pferdedreschmaschinen mit
Göpelantrieb, |
etwa 10 Jahre später, die
Dampfdreschmaschine
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In den letzten Jahren hat man
statt der Lokomobile einen Trecker verwendet, der mit Öl betrieben wird.
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Auch wird
jetzt in vielen Betrieben die Elektrizitätskraft
ausgenutzt.
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.Ganz
früher wurde mit den Händen gebuttert, später mit einem Hund.
Ein großes Tretrad war auf der großen Diele, in das der Hund
reinkam und durch sein Gewicht das Rad in Gang bringen musste.
Durch ein Gestänge war das Tretrad mit der Butterkanne
verbunden. Jeder Bauer hatte 2 große Hunde zum Buttern.
Wenn
abgebuttert war wurde in der Stube gesponnen. Das war den ganzen
Winter hindurch eine Hauptarbeit.
Buttern und Käse backen wurde
praktiziert, bis die Meiereien kamen, die erste in
der Umgebung 1879 auf dem Weidenhof.
Nachmittags wurde rechtzeitig
aufgearbeitet, wie man so sagte; denn bei Tag musste die Arbeit
mit der Futterei fertig sein. Das Licht war zu teuer und knapp.
Achtzehnhundert in den Achtzigern kamen die Meiereien auf; die Milch wurde auf der Meierei abgebuttert. Auch
das Spinnen fiel weg. Das Flachs und Heed
kam in die Spinnereien, wovon es immer
mehr gab. Für die Bauersfrau wurde es viel leichter. Die
Knechte mussten mit den Flegeln dreschen, so lange etwas auf dem
Boden war. Dann ging es an die Feldarbeit.
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Die
Entlohnung bestand ursprünglich größtenteils nur aus Naturalien, bei den Mädchen aus Leinen, Wolle, Beiderwandröcken,
Schürzen und Jacken. Sie brachten dann oft eine
ganze Lade voll Zeug und Leinen mit in die Ehe,
genug fürs ganze Leben.
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Das Jölfeiern war damals schon Mode, und ist es auch heute noch
teilweise geblieben. Wenn der Bauer mit seiner Frau ausgefahren
war, kamen die Knechte und die Mägde aus dem ganzen Dorf
zusammen. Nachmittags bekamen sie Bescheid, dass sie nach dem
Abendessen gleich kommen sollten. Eine Flasche Korn wurde dann
aus dem Krug geholt und rumgetrunken. Auf der großen Diele
wurde getanzt. Einer spielte Handharmonika oder es wurde auf dem
Kamm geblasen und dabei wurde tüchtig gesungen. Das war denn
ein Hauptfest. Einer musste draußen Wache stehen und aufpassen,
wenn da ein Wagen angerumpelt kam. Wenn der Bauer das denn war,
verschwanden alle schnell und die Lichter wurden ausgemacht.
Alles war in guter tiefer Ruhe, so dass der Bauer den Großknecht
zum Ausspannen knapp aus dem Schlaf kriegen konnte. Der Bauer
wusste aber Bescheid, sagte aber nichts. Er hatte es in jungen
Jahren auch so gemacht. Sie konnten gern mal Jöl feiern, aber
das musste bei der Wies
bleiben. Das Haus stand denn wenigstens nicht allein. Größere
Familienfeste wurden auch auf der großen Diele gefeiert. Dann
wurden Hackschnitzel auf den Fußboden geschüttet, damit das
Tanzen besser ging.
Die Trachten waren früher nett,
einfach und haltbar. Der Bauer in seinem Sonntagsstaat hatte
einen langen Mantel an aus Beiderwand,
meistens dunkelblau, eine rote geflochtene Weste mit silbernen
Knöpfen, eine kurze lederne Hose, auf jeder Seite ein paar
silberne Knöpfe, helle Strümpfe und Halbschuhe und denn eine
Meerschaumpfeife mit einem silbernen Deckel dabei. Das war ein
schmucker Anzug. Die Frauen erschienen in allen Farben. Grasgrüne,
braune oder blaue Beiderwandröcke
mit silbernen Streken,
schwarze Samtmieder, seidene Jacken, lila Schürzen und die
bunten Bauernmützen in bunter Farbenzusammenstellung: rot, grün,
blau und silbern mit ein paar seidenen Bändern dran, das war
die Tracht der Frau.
Wenn ein Brautpaar zur Kirche
fuhr, dann wurde mit Pulver und Papierproppen geschossen; das
bedeutete Glück. Jeder Bauer hatte so eine Donnerbüchse auf
dem Kornboden liegen.
Die Bauernhöfe sind alle so 200
Jahre und darüber in Familie gewesen. Der Name wechselte hier
und da, das kam aber davon, wenn ein Bauer nur Mädchen hatte
und sich einer in den Hof reingeheiratet hat.
Sehen wir
unser Rade nun mal an. Zuerst von Kellinghusen her links, wohnt
Bauer Thun.
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Der Thun-Hof |
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Der Name ist nun in der 3. Generation. Der vorletzte
Thun, mit Vornamen Heineri, ist 30 Jahre Bauernvogt gewesen und
ist auch sonst zu Ehren gekommen. Der erste, Hermann Thun, hat
sich da reingeheiratet. Vorher haben da Jochen Carstens, Hans
Gloy, Jürgen Delfs, Hans Fölster, Hinnerk Schlüter und Detlef Schlüter
gewohnt. An der alten Kate, wo ich nachher drauf zurück komme,
Steht „Detlef Schlüter 1735“ dran. Der Name Thun stammt aus
Willenscharen und Wiedenborstel. Ganz früher, so ist mir gesagt
worden, soll er aus Bayern stammen und adlig gewesen sein; das
liegt aber wohl sehr weit zurück. Die Häuser haben sonst
weiter im Dorf, im Wischhoff gestanden. Zweimal ist da der Blitz
reingegangen und abgebrannt, zuletzt 1905. Da hat Heineri Thun
die Häuser an der Straße
hin gebaut
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Der Loop-Hof |
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Auf der anderen Seite liegt ein
Bauernhof von alten Eichen eingerahmt. Da wohnt Bauer Loop. In
der 4. Generation trägt der Hof jetzt den Namen. Vorher hat da
ein Gloy gewohnt und da hat sich ein Loop reingeheiratet. Im
Klosterarchiv in Itzehoe kann der Name Gloy bis 1556 in Rade zurückverfolgt
werden. Vielleicht geht er ja noch weiter zurück, aber das
Archiv geht nur bis 1542. Der erste hat Clawes Glöw geheißen.
Der letzte Gloy, Harm, hat die Stelle 1812 von seinem Verwandten
Claus Gloy übernommen. Der stammte vom Holzhof von
Klein-Sarlhusen. Der Holzhof liegt direkt an der Stör. Da wurde
früher Holz verladen. Daher der Name. Die adligen Bauerstellen
mussten da ihr Holz verladen. Das kam dann auf einen kleinen
Ewer nach Hamburg. Der Name Loop aus Latendorf bei Neumünster.
Der Namen ist noch da und lässt sich im Staatsarchiv in Kiel über
3 Jahrhunderte verfolgen. Er stammt wohl aus dem Dorf Loop bei
Neumünster.
Die Häuser standen früher auf
der anderen Seite der Straße im Wischhoff.
Nur die Kate hat immer an ihrem Platz gestanden, wo sie jetzt
steht. Der erste Loop, der ein sehr strebsamer und sparsamer
Mensch gewesen ist, hat 1850 das Bauernhaus bauen lassen, wo es jetzt
ist. 1868 hat der Blitz ins Haus eingeschlagen. Es ist aber
nicht abgebrannt. Der Blitz ist vorne in den Giebel gegangen,
der nachher auf der Hofstelle gelegen hat. Auf den ersten beiden
Fächern oben hat Buchweizen gelegen, der ja nicht so leicht
brennt. Die Sparren haben geglüht; mit ein paar Eimer voll
Wasser haben sie das Feuer gelöscht. Im Kuhstall war eine Ferse
erschlagen worden. Der Knecht hatte die Kühe anbinden
wollen, und diese Ferse hatte nicht still gestanden. Er war nun
erst zu den anderen Tieren gegangen. In dieser Zeit ist der
Blitz gekommen.
Der zweite Loop,
Hans, hatte viele Ehrenämter. Er hat das zurecht bekommen, dass
1890 - 1892 die Straße von Kellinghusen nach Hennstedt gebaut
wurde, wo stellenweise gar kein Weg war. 1894 – 1895 ist auch die Straße von
Rade nach Brokstedt über Willenscharen in
seiner Zeit gebaut worden, wodurch das Dorf viel besseren
Verkehr zur Kirche und zur Eisenbahn bekommen hat. Er ist 43
Jahre
Bauernvogt und 11 Jahre Amtsvorsteher gewesen. Er bekam
zum Schluss noch den Kronenorden 4. Klasse für seine
Verdienste.
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Die
Altenteilerkate vom Loop-Hof
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1835 ist die
Altenteilerkate abgebrannt. Im selben Jahr ist sie dicht bei dem
alten Lindenbaum, wohl der älteste Baum im ganzen Dorf, wieder
aufgebaut worden. In der Kate, in der kleinen Stube, ist früher
die Schule gewesen. Das war eine Klippschule. Hier mussten die
Kinder hin bis sie 10 Jahre alt waren. Nachher mussten sie nach
Fitzbek, was für die Kleinen ein recht weiter Weg war. Schule
war nur im Winter. Im Sommer mussten die Kinder in Haus und Hof
mithelfen, so gut sie konnten. Wenn der Schulmeister bisschen
laut war, oder einer von den Kindern mal weinte, klopfte
Großmutter Loop auf der Diele ans Fenster und fragte, was da
los war. So bei Martini rum wurde jedes Jahr ein Schulmeister
gesucht und ‚gemietet‘. Er bekam nicht mehr Lohn als die
Kuhharder. Er wurde auch nicht lange geprüft, ob er was konnte.
Die Hauptsache war, dass er billig war. Er schlief in der
Schulstube im Wandbett. Kost bekam er zu, musste aber im Dorf
zum Essen rumgehen. Wenn es nun gerade mal zutraf, bekam er die
ganze Woche Grünkohl.
Als die Schule hier aufhielt,
kam der Nachtwächter Friech Jonas in die Kate. Von abends 10
Uhr bis morgens 4 Uhr ging er auf Nachtwache. Er musste jedes
Mal um die Häuser gehen. Um 10 Uhr musste das Licht aus sein, und
wenn es nicht aus war, klopfte er ans Fenster und fragte, was da
los wäre. Jedes Mal, wenn er rumging, tutete er und sang einen
Vers hinterher. Das hörte sich schön an. Er konnte toll
singen. Ein großes Tuthorn und seine kleinen Reime waren seine
ganze Ausrüstung. Viel Geld hat er nicht bekommen, aber er hatte
sonst viel Gutes im Dorf. Er musste mal nach der Ferkelsau sehen
und auch, wenn eine Kuh auf den Jungen stand. Zu Weihnachten
konnte er im Dorf rumgehen. Dann bekam er Korintenstuten,
Butter, Mehl oder einen Schweinebraten. Er war auch Schlachter.
Im Sommer arbeitete er ein wenig beim Bauern und backte Torf.
Auch hatte er einen großen Bienenhagen. Er schlug sich gut
durch. Alle hatten was für Friech übrig. Ein Sohn von ihm ist
ein ausgedienter Bahnhofinspektor in Altona gewesen.
Nun kommt Bauer Gloy auf der
anderen Seite. Der Name ist in der 3. Generation. Der zweite,
Henning Gloy, hat den Hof von seinem Onkel Hans gekauft. Da war
nicht viel Land dabei. Hans Gloy hat das Haus zuerst alleine
gehabt. Das Land hat er 1872 bei der Parzellierung von.
Carolinenthal dazu gekauft. Er wohnte, so lange wie er gelebt
hat, bei seiner Mutter im Altenteil. Sein Bruder, Hinnerk Gloy,
bearbeitete das Land, bis er sich 1891 in Lockstedt eingekauft
hat. Sein Sohn ist unser Reichsbauernführer. Als Hinnerk Gloy
nach Lockstedt zog, bezog Hans das Haus und verheiratete sich
und 1899 übergab er das an seinen Neffen Henning Gloy, der
allerhand Land von der Stelle seines Bruders dazu bekam. Vordem
hat da ein Lohmann, Kröger und Ehler Offen hier gewohnt. Da ist es
eine reelle Bauernstelle gewesen. Der hat aber das Land verkauft
und auch die Altenteiler Kate, die auf der anderen Straßenseite
lag, ein ganz altes Rauchhaus, das 1901 abgebrochen worden ist.
Hier wohnte zuletzt ein Altenteiler von Carolinenthal, Hinnerk
Harms mit seinem Enkel. In dieser Kate ist allerlei passiert.
Wenn die hätte erzählen können, wären da schöne Romane
zusammen gekommen. (hätte man gerne erfahren!) Rechts von der
Straße liegen 2 Arbeiterhäuser von Carolinenthal, in der je 2
Familien wohnten. Die beiden Familien in dem ersten Haus – der
Oberschweizer Emil Eggler und der Vorarbeiter Hannis Hahn –
wohnen auch schon 30 Jahre hier. In dem anderen Haus wohnte der
Gutsgärtner und einer von den Gespannarbeitern. Oben hat
Fräulein Trina Siems, eine Tochter von Marx Siems, wovon ich
noch erzählen will, eine kleine Wohnung.
Ein bisschen weiter zurück, wo das
Haus steht, stand früher ein ganz altes Rauchhaus, die Weberkate. Da haben 2 Generationen Siems gewohnt, die beide
Witwer waren: Marx und Jasper Siems. Jasper hat früher in
Brokstedt gewohnt, sein Vater auch schon. Die beiden konnten
besonders schön weben. Schmucke bunte Tischtücher, Beiderwand
mit seidenen Streken, Fünfkamp,
Dreitritt und Inlett mit bunten Streifen machten sie. Sie gingen mit
ihrem Tuch zu Fuß ganz nach Kaltenkirchen zum Markt und wurden
ihren Kram immer leicht los. Die anderen Weber haben ihnen sogar
beim Abmessen und Abschneiden geholfen. Sie haben sich gesagt,
wenn unsere Konkurrenz ihre Ware verkauft hat, kommen die Käufer
auch bei uns. Jasper hatte die Kate 1843 von Timm Ratjen
gekauft, der da 18 Jahre gewohnt hat. Früher war da ein Teich
mit Pumpe drauf gewesen. Marx Siems hat das Land 1904 verkauft
an die Bauern im Dorf. Auch war da eine Koppel und eine Wiese
bei, damit er sich eine Kuh halten konnte. 1912 verkaufte er die
schmucke Kate mit den beiden Heckscheunen und der schönen
Hofstelle mit den alten Katzbeerbäumen an den Hof Carolinenthal.
Das Handweben lohnte sich nicht mehr. Die großen Webereien, von
denen immer mehr kamen, machten so viel Konkurrenz. Marx Siems
war auch alt, Jungs hatte er nicht, nur eine Tochter.

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Der Gloy-Hof
(Straßenansicht 1914) |
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Der Gloy-Hof (Ansicht vom
Wischhof 1923)
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Bisschen weiter auf derselben
Seite ist die Altenteiler Kate von dem Gloy-Hof. Der Hof liegt
auf der anderen Seite. Da ist seit 1688 der selbe Namen drauf
gewesen. Die Stelle ist früher gräflich gewesen, und der
erste, Hans Gloy, soll sie in Konkurs von dem Grafen Rantzau
gekauft haben. Das Haus ist in den Inflationsjahren und etwas
danach neu umgebaut worden.
Nun kommt eine
alte Kate, die gehört zu Carolinenthal. Früher war sie
Altensteilerkate des Thun-schen Hofs.
Als die hier unten abgebrannt ist, wurde die Kate mit dem
Schweinestall und dem alten Bauplatz an Hof Carolinthal
verkauft. Wo das Haus gestanden hatte ist nun ein Gemüsegarten
und ein kleiner Teich mit Entenhaus. Vorne am Giebel auf dem
Großtürbalken der Kate steht noch eine Inschrift, die aber
schlecht zu lesen ist: „Detlef Tomms Schlüter, Anke
Schlüter, 15. April 1735,
Laß dir Gott befohlen Sein“. Hier wohnt nun der
Chauffier von Carolinenthal, Aug. Pagels. Er hat den Weltkrieg
mit gemacht und wohnt schon so 30 Jahre im Dorf.
Bisschen weiter zurück an dem
Stiegstückenweg liegt die frühere Kaufmannskate. 1833 ist sie
von Hinrich Göttsche aufgebaut worden. Göttsche ging mit der
Kiepe auf dem Nacken von Dorf zu Dorf und kaufte Eier und Butter
ein und trug das ganz nach Neumünster. Auch selbstgemachtes
Leinen kaufte er auf und verkaufte es, so gut wie er konnte.
Seine Tochter Trina verheiratete sich mit Krischan Hein, der Müllergeselle
in der Wassermühle in Fitzbek war. Ein Enkel wohnt noch im Dorf;
ich komme nachher noch darauf zurück. CHr. Hein wurde nicht
alt. Nach seinem Tod verheiratete seine Frau sich mit Marx
Harbek aus Lokstedt, der einen Laden betrieb ebenso wie Göttsche.
Er ging auch mit der Kiepe von Dorf zu Dorf und kaufte alles
auf, was er bekommen konnte, Eier, Butter und Honig. Er
schleppte das auf dem Rücken nach Neumünster hin. Auch
handelte er mit Braunbier und Kümmel. Bei ihm gab es einen aus
dem großen Maaß. Als seine Frau gestorben war, konnte er nicht
mehr an sich halten und fiel immer mehr zurück. Der Bier- und Kümmelhandel
war sein Ruin. Die Knechte und Mägde gingen da sonnabends und sonntagabends
häufig hin und kauften Kümmel und dann bekam Marx immer einen
ab. Zuletzt verpachtete er die Kate noch mal an einen
Schlachter, der da eine Schlachterei
anfangen wollte, aber das wollte nicht laufen. Rade war für
eine Schlachterei zu klein; sein Hauptberuf war aber auch
Klempner. Marx starb bald nach einem Schlaganfall. Der Kaufmann
Peterich aus Kellinghusen musste die Kate für Schulden übernehmen.
Peterich verkaufte das Land an Carolinenthal und die Kate bald
darauf an Hans Grewe, die er nach ein paar Jahren auch an
Carolinethal verkaufte. Nun wohnt der Verwalter von
Carolinenthal da. Die Kate ist wunderschön zurecht gebaut
worden und hat das Strohdach behalten. Der Verwalter Hans Rohwer
hat den Weltkrieg mit gemacht.
Der
Stiegstückenweg war früher ein recht breiter Weg mit einem
grünen Dreiangel. Hier war immer der Dorfspielplatz. Da wurde Ballfäng,
Ballkrät und Balleck
gespielt. Wo jetzt die Altenteilerkate vom Gloy-Hof steht war
eine Saagkuhle , ein kleiner Schafstall und ein Backhaus. Hier
wurde Versteck und sonst allerlei gespielt. Der Weg war früher
ein Hauptverkehrsweg, als die Straße (Hennstedt-Kellinghusen)
noch nicht gebaut worden war. Die Dörfer Fitzbek, Willenscharen
und Sarlhusen fuhren da immer zur Kirche und mit ihren Produkten
zum Markt entlang. (Rade – Oeschebüttel – Schäferkate)
Sonntags beobachteten die Jungen die Kirchenwagen und wer die
besten und dicksten Pferde vorm Wagen hatte. Die Kirchenwagen
hatten meistens einen korbgeflochtenen Kasten mit zwei großen
Stühlen darauf. Hinten war ein „Kälberloch“, wo der
Futtersack für die Pferde lag.

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Nun kommt der
Hof Carolinenthal. Hier haben zuerst mehrere Runge’s gewohnt
und nachher ein Harms, der sich gut stand. Er hatte auch einen
Hof und eine Wirtschat in Kellinghusen, die nun ‚Altdeutsches
Haus‘ heißt. Da wohnte er mit seiner Familie und in Rade
hatte er einen Verwalter, der Runge hieß. Der Verwalter mochte
gerne mal zu Krug gehen zu Marieken Runge. Wenn sie ihn verloren
hatten, saß er bei ihr. Nachher holte er aber die versäumte
wieder auf. Einmal in der Buchweizendreschzeit hatte er auch
gefeiert und nachher Buchweizen auf die große Diele geworfen.
Eine Stövmööl (Staubmühle?) haben sie ja nicht gekannt.
Morgens war die Diele aber wieder sauber gewesen, und die
Drescher konnten wieder arbeiten.
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Jetzt
auf der Hofstelle von Carolinenthal steht dieses stattliche Bauernhaus,
das älteste in Rade. Es ist 1622 gebaut worden und sehr gut erhalten.
Zur
gleichen Zeit ist in Oeschebüttel ein
ähnliches Haus errichtet worden. Hinz, der damalige
Erbauer und Besitzer in Rade soll regelmäßig nach
Oeschebüttel geritten sein, um die Balken, Sparren
und die Qualität zu prüfen, Die Bauherren standen
im Wettbewerb, da jeder das stärkere Haus haben
wollte. Die Einrichtung der Wohnung (links im Bild) glich einem kleinen Museum.
Es hatte einen Beilegeofen mit biblischen Bilderkacheln,
alten Mobilien und hübschen Wandmalereien.
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Harms hat den
Hof 1853 an Fritz von Dudden verkauft, der ihm den Namen ‚Carolinenthal‘
gab. Er ließ den Hof herrschaftlich anlegen. Ein feines
Herrschaftshaus wurde gebaut mit einem großen Park. Hinter und
vor dem Herrenhaus war eine große Freitreppe, wenn sie mit dem
Kutschwagen ausfahren wollten, dann ging es durch den schmucken
Park. Am Eingang war eine kunstvolle eiserne Pforte, die jetzt
vor dem Luisenberger Hof steht. Im Park war ein Teich mit einem
Entenhaus drauf. Das Wasser wurde über 200 Metern in Rohren heran geholt.
Dem alten Haus gegenüber wurde
eine große Scheune mit rotem Pfannendach, auch mit einem
Schweinestall, gebaut. - Bisschen aus dem Dorf (heute
Richtung
Hennstedt) wurde eine Ziegelei gebaut, wo schöne
haltbare Steine und Pfannen gemacht wurden. Der Hof war auf den
Namen seiner Frau eingetragen, die auch das Geld hatte. Ida
Amalie von Dudden, geb. von Rönnling hieß sie. Sie war eine dänische
Generalstochter und er war von österreichischem Adel. Die
beiden hatten nur einen Sohn, der Leo hieß. Als er zur Schule
musste, reiste seine Mutter mit ihm nach Altona, wo er eine
bessere Ausbildung bekam. Leo hätte sehr gerne eine kleine
Schwester gehabt, mit der er spielen könnte. Seine Eltern haben
da ein kleines Mädchen angenommen. Die hieß Sophie von Oertel
und kam hier ganz klein her. Leo freute sich sehr zu seiner
kleinen Schwester. Als sie laufen konnte mussten die anderen
Dorfkinder sie immer bewundern. Als Frau von Dudden tot war,
holten die Eltern aus Südhannover
die sechsjährige Sophie wieder weg.
Auch hatten sie einmal auf dem
Hof eine russische Fürstin aufgenommen, die von ihrem Mann
verfolgt wurde. Von Dudden nahm sie hier in Schutz. Warum sie
verfolgt wurde kam nie richtig raus. Es hieß, ihr Mann wollte
sie ins Irrenhaus bringen; er wollte an ihr Geld. Die Frau
nannte sich Frau von Dresden und war schon mit 16 Jahren
verheiratet worden. Sie ging immer verschleiert, dass das
Gesicht nie zu sehen war und keiner sie erkennen konnte. Einmal
als sie mit dem Zug aus Hamburg gekommen ist, soll ihr Mann auch
mit im Zug gewesen sein. Sie konnte ihm aber in Wrist entkommen.
Ein Jahr ist sie wohl hier gewesen, dann hat sie plötzlich das
Haus verlassen. Das war 1871. Frau von Dubben kam damals mit Leo
aus Altona zurück.
1872 verkaufte von Dudden die Ziegelei und
drei Holzschuppen an Aug. Jauch, Hamburg. Die Ziegelei wurde
nachher bald abgerissen. Viel Land wurde verkauft an Bauern aus
Rade, Oeschebüttel und Fitzbek. Auch das Inventar wurde
verkauft. Es hatte bei der Anschaffung schon fast 65 000 Mark
gekostet.
1873 wurde der Hof an Schümann und Mehrens aus
Kellinghusen für 35 000 Mark verkauft. Beide waren Bauern, Schümann
zur Hauptsache Schlachter. Sie kauften den Hof als
Spekulationsobjekt und setzten ihren Verwandten Schoer als
Verwalter ein. Er musste sehr sparsam wirtschaften. Sie wollten
ja kein Geld zusetzen. Frau Schoer lebt noch. Sie ist schon 99
Jahre alt, aber geistig noch ganz frisch. Sie hat ein
arbeitsreiches Leben hinter sich. Die schönsten Jahre hat sie
in Rade auf dem schönen Carolinenthal verlebt, wovon sie immer
noch viel erzählt. Bei Schümann waren zwei große Jungen:
Gustav und Otto. Die beiden Kamen viel nach Carolinenthal, um zu
spielen. Einmal waren sie auch in der Kartoffelernte da gewesen.
Als da die anderen Jungen alle auf den Koppeln mit helfen
mussten, hatten sie keine Spielkameraden und wollten dann auch
Kartoffeln mit sammeln. Aber das hat ihnen nicht behagt. Sie
haben sich leise hinterm Knick versteckt und sind nach Hause
gelaufen. So ist es, wenn so Stadtjungen etwas sollen und
wollen.
1870 wurde der
Hof wieder an den jungen von Dudden für 65 000 Mark verkauft.
Vermittelt wurde es von dem Juden Heske aus Kellinghusen, der
sich dabei 1 000 Mark verdiente. Aus der Spekulation war nichts
geworden. Leo freute sich sehr, dass er den Hof seines Vaters
wieder hatte, aber durch seine einstige Erziehung hatte er wohl
etwas gelitten, denn er war nicht selbstständig geworden.
Verheiratet war er nie. Alle wollten ihm eine Frau andrehen.
Wenn da eine Braut kommen wollte, wurde auf dem Hof alles schier
und sauber gemacht. Die Leute mussten alle mit putzen und
scheuern, aber vielmals kam da gar keine. Aber wenn da eine
gekommen ist, fragten sie ihn aus und liefen wieder weg. Zuletzt
ist es dann doch geglückt. Sie soll aus Itzehoe gekommen sein.
Er musste viel mit ihr spazieren reiten. Einmal war er mit ihr
nach Itzehoe geritten. Da haben die Soldaten sie alle gekannt.
Leo verschuldete sich aber immer mehr. Zuletzt hatte er noch
einmal ein großes Fest in
Haus und Hof veranstaltet, um ein bisschen Geld rauszuschlagen.
Das war kurz vor Pfingsten. Er meinte, dann würden mehr Leute
kommen, denn in Rosdorf wäre Pfingsten auch jedes Jahr ein
großes Waldfest. Da war doch eine große Männergesellschaft
aus Hamburg gekommen, die auf dem Saal „Tingel-Tangel“
gemacht hat. Das war da hoch her gegangen, so wurde gesagt.
Viele Leute seien da gewesen. Alle aus dem Dorf in Rade wollten
nun Leo einen Groschen gönnen. Im Haus und Garten wurde
eingeschenkt. Abends war im Park ein großes Feuerwerk, so wie
es in der ganzen Gegend noch nie gegeben hat. Mit Lampions und
Laternen ging es im Park herum. Tischler Schulz aus
Oeschebüttel führte es an. Die Leute aus dem Dorf sind wohl
alle etwas betrunken gewesen, und dann musste Haddi-Schuster auf
den Tisch. Wenn er seinen Teil Grog getrunken hatte, tat er es
auch. Er soll es sehr gut gekonnt haben. Mit einem Satz sprang
er auf den Tisch und tanzte zwischen den Gläsern und Flaschen
herum, ohne etwas zu beschädigen oder umzustoßen. Seine Trina
hatte in der Ecke gestanden und geweint, denn am nächsten
Morgen ist sie ganz früh gekommen, um zu sehen, ob er Schrammen
auf dem Tisch gemacht hatte. Es war aber gut gegangen.
Das ganze Fest
hatte aber nichts genützt. Leo war nicht mal auf seine Kosten
gekommen. Die Schulden wurden immer mehr, bis der Hof zuletzt
verkauft wurde – 1878. Vorn auf dem Hof hatten alle Gläubiger
gestanden. Da hatte er nicht raus mögen. Wie ein scheues Reh
ist er hinten durch den Park nach Oeschebüttel gelaufen zu
seinem Onkel Karl von Kräftig, der auf seinem Hof wohnte. Bei
seinem Onkel hat er es aber auch nicht gut gehabt, denn der
hatte ihn noch mit seinem letzten Geld ausgeholfen. Auf einer
Altenteilerkate bei Bramstedt soll er zuletzt noch Kühe
gehütet haben
Hans Gloy, der
sein Berater war, hat immer viel von ihm gehalten und ihn
nachher auch viel besucht. Wenn Leo ihm seine Not klagte, hat er
immer zu ihm gesagt: „Leo, sie müssen beten, immer wieder
beten“. Das hat er nachher auch getan. Aber es ist ihm dann
noch schlechter gegangen. Zuletzt ist er ganz zu Fuß nach Wien
gegangen zu den Verwandten seines Vaters. Seit dem war Leo
verschwunden. Wo seine Frau geblieben ist, ist nicht bekannt.
Ein Jahr später hat sie noch einmal an ihre frühere Mamsell
geschrieben, dass es ihr nun besser ginge. Jahre später, bei
1894 rum, als mein Vater Amtsvorsteher war, kam ein Ersuchen von
Leo Dudden um einen Pass. Da freute mein Vater sich. Er hat auch
gleich Hans Gloy Bescheid gesagt, dass Leo sich wohl gefangen
hatte und nicht im Strudel der Welt untergegangen war. Gleich
wurde an ihn geschrieben, und er antwortete aus Petersburg, Rom
und Paris. Durch seine Sprachkenntnisse und seinen Namen war er
bei einer adeligen Familie als Reisebegleiter angekommen. Auch
der Landrat, der sich für ihn interessierte, bekam seinen
ganzen Lebenslauf hin.
Als Leo hier damals ausgerückt
war, wurde der Hof 1878 an Albrecht Bartmar verkauft. Der war
Junggeselle und hatte seine beiden Stiefschwestern hier mit. Die
hießen Kettler. Sein Bruder war Großknecht und seine
Schwestern führten den Haushalt.
1881 verkaufte er an I.C.
Behrens, der auch den herrschaftlichen Hof in Oeschebüttel
kaufte. Behrens hatte mit seiner Frau recht viele Kinder. Es war
traurig anzusehen, dass die Jungs alle Ausschlag im Gesicht und
an den Händen hatten, so eine Art Lupus.
Sie sind alle nicht alt geworden und mussten alle Augenblicke
nach Kiel und an Nase und Ohren operiert werden. Die Mädchen
dagegen waren alle rein, schmuck und stattlich. Bei Behrens war
es geldlich immer sehr knapp. Er hatte eine große Familie und
die Jungen kosteten eine Menge Doktorgeld. Er wollte immer gern
verkaufen, konnte aber den richtigen Käufer nicht finden.
1888
konnte er die beiden Höfe mit dem Gut Hartenholm vertauschen.
Da kam hier ein Besitzer her, der Ludwig Paull hieß. Er war
Junggeselle und ein schlaksiger Mensch. Er hatte fast jeden Tag
einen anderen Anzug an, alle großkariert nach englischem
Muster. Er konnte den ganzen Abend bei einem sitzen und kein
einziges Wort sagen. Einmal war er im Dorfkrug gewesen und hatte
seine Geldtasche herausgeholt und sein Geld gezählt. Er hatte
über 70 Tausendmarkscheine bei sich und anschließend die
Tasche da vergessen. Am anderen Morgen beim Saubermachen haben
sie sie gefunden. Fräulein Tietje hat sie ihm wieder gebracht,
und er hat geschmunzelt, aber einen Finderlohn hat er nicht
gegeben. Er war sonst ein ganzer Schlauberger. Wenn er neue
Leute bekam, probierte er gleich aus, ob sie ehrlich wären. In
der Stube legte er etwas versteckt Taler hin, auch auf dem Hof
und im Stall machte er es so. Waren sie am anderen Tag weg und
es meldete sich niemand, dann wusste er Bescheid. Große Hunde
hatte er immer bei sich, aber von Landwirtschaft verstand er
nicht viel. Ein Jahr ist er auch nur hier gewesen.
1889 verkaufte
er den Hof Carolinental
an einen Freiherrn von Schleinitz. Der ist von ganz altem
Adel. Mit ihm und seiner Frau war es ein ganz seltsames
Verhältnis. Als sie hier her kamen war er 28 und seine Frau 56
Jahre alt. Er war ihr zweiter Mann und die Ehe war so zusammen
gekommen: Frau Baronin war die Tochter von General von Bonin und
hatte viel Geld. Der Hof war auch auf ihren Namen eingetragen.
In der ersten Ehe hatte sie sich aus dem Adel geheiratet und
hatte den Rittergutsbesitzer Derkow in Hinterpommern geheiratet.
Mit dem Mann hatte sie zwei Söhne gehabt, die in Schleinitz
Alter und viel mit ihm zusammen gewesen waren. Ihr Mann starb
und ihre beiden Söhne auch. Von Schleinitz war auf dem Hof in
Hinterpommern Inspektor gewesen,
und weil er ein schmucker Kerl und von Adel war,
heiratete sie ihn und er heiratete ihr Geld. So war beiden
geholfen. Sie zogen aus Pommern raus und kauften sich hier an.
Das Eheleben war aber nicht besonders. Durch die vielen
Schicksalsschläge, die sie hatten, führten sie ein ganz
zurück gezogenes Leben und kamen wenig raus. Wenn sie ausging,
hatte sie im Sommer und im Winter immer einen weißen
Sonnenschirm dabei und hielt ihn immer so hin, dass man sie
nicht ansehen und grüßen konnte. Sonst war sie sehr
christlich, fuhr viel in die Kirche und dann musste ihr Mann
immer mit. Sie hatte ihr eigenes Pferd und eigenen Wagen, der
nur genommen werden durfte, wenn sie ausfahren wollte. Die
Pferde ihres Mannes waren ihr zu mager. Auch hatte sie ihr
eigenes Livree für den Kutscher.
Von Schlichting war ein
ostpreußischer Junker, ein ganz verwegener Fuhrmann und Reiter,
der keine Gefahr kannte und Hindernisse gab es für ihn nicht.
Sein Bauernspielen war aber auch nicht besonders. Das kam wohl
davon, dass das Geld immer knapp war. Er schinierte sich nicht
vor der Arbeit. Er mähte, säte und fuhr Mist, doch auf der
Koppel mochte er nie alleine sein, sein Knecht August musste
immer mit. Auch mochte er gern handeln, am liebsten mit Pferden
und Hunden. Er hatte viele Hunde, die waren immer bei ihm rum,
große und kleine. Einmal war er mit dem Wagen nach Neumünster
über die Torfbrücke gefahren, die bei Sarlhusen über die
Stör geht und blieb ein paar Tage dort. In der Zeit gab es
einen tüchtigen Gewitterschauer, dass die Stör gleich
überschwemmt und die Wiesen blank waren. Als er nun wieder
zurückkam, war die Brücke gar nicht mehr zu sehen gewesen. Mit
dem Wagen ist er durch die Stör gefahren. Die Pferde mussten
schwimmen, das Wasser lief auf den Wagen und der begann
abzutreiben. Da wollte sein Johann, der Kutscher, ins Wasser
springen. Schlichting hat ihn aber am Arm gehalten und gesagt:
“Polacke, sitz fest, wenn du ersäufst, ersauf ich mit.“ Sie
hatten das Ufer glücklich wieder zufassen bekommen.
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Nach
einem Jagdausflug hatte von Schlichting damals im
alten im Krug wieder einen über den Durst getrunken. Als er einen
Landstreicher sah, ließ er ihn zur Belustigung der
Umstehenden nach
Wild-West-Manier tanzen, in dem er mit seiner
Büchse vor ihm auf den Boden schoss.
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Die
Landwirtschaft ging aber immer weiter zurück. Da wollte er es
noch mal mit dem „Borstenvieh“ versuchen, wie er zu sagen
pflegte. Da kamen reinrassige Schweine aus England, Yorkshire
und Berkshires, aber das wollte nicht gehen. Sie wollten nicht
von allein fett werden und Schrot wurde nicht gekauft. Seine
Frau wollte kein Geld mehr rausrücken.
1895 wurde der Hof an einen
Herrn Reiners aus Brake bei Bremen verkauft. Herr Reiners hatte
eine Schiffstaufabrik gehabt, die abgebrannt war. Mit Reiners
und seiner Frau war es das Gegenteil als mit dem Baron und
seiner Frau. Reiners war schon in den siebziger Jahren, hatte
die dritte Frau und die war erst in den dreißiger Jahren. Mit
dieser Frau hatte er einen kleinen Jungen, der Bauer werden
sollte. Er ließ es alles auf dem Hof nett reparieren. Auch das
Land wurde gut bearbeitet, so dass der Hof ein ganz anderes
Gesicht bekam. Leider hatte der Mann kein Glück. Als sein Sohn
6 Jahre alt war, fiel er aufs Eis, bekam Gehirnerschütterung
und starb. Reiners und seine Frau waren kopflos und verkauften
1899 den Hof an Herrn Brettschneider.
Herr Brettschneider
war Großkaufmann in Hamburg und hatte ein großes Vermögen. Alles wurde auf dem
Hof verbessert. Das Geld spielte gar keine Rolle. Am Herrenhaus
wurde ein Flügel angebaut. Der Park wurde mit einem
neumodischen Treibhaus ganz frisch angelegt. Die Stube im alten
Bauernhaus wurde altmodisch ausstaffiert. Ein neues Kuhhaus, ein
Schweinehaus und ein Wagenremis wurden gebaut und auch ein
verdeckter Misthaufen. Alles wurde sehr gut gemacht. Maschinen
wurden gekauft, auch teure Pferde und Kühe. In der ersten Zeit
wimmelte es auf dem Hof nur so von Handwerkern. Drei kleinere
Zwei-Pferdestellen wurden zugekauft und auch von den Bauern
allerlei Land und größere Holzbestände, so dass der Hof wohl
zweimal so groß wurde. Wiesen und Weiden wurden trocken gelegt
und eben gemacht, dass es ein Musterhof wurde. Weihnachten
1908 starb Brettschneider. Nach seinem Tod behielt seine Frau
den Hof. 1928 ist sie hier auf dem Hof gestorben. Sie wohnte nur
im Sommer hier, im Krieg und danach aber das ganze Jahr. Nach
ihrem Tod bekam ihr Sohn den Hof, der aber nur im Sommer hier
war, sonst war er in Hamburg und betrieb sein Kaufmannsgeschäft.
Er starb 1934 mit 61 Jahren und hatte nicht viel gut von seinem
Hof gehabt. Sein Sohn hat ihn wieder geerbt. Der wohnt aber auch
in Hamburg bei seiner Mutter und ist unverheiratet. Auf dem Hof
ist ein guter Verwalter und alles geht seinen regelrechten Gang.
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1938 kaufte Porcher von Thielen, Enkel des früheren Eisenbahnministers, das Gut.
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Das Herrenhaus vom Park aus
gesehen |
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Bisschen weiter längs am Bach
wohnt der Dorfschmied. In der dritten Generation ist hier der
Name Bestmann. Hier hat früher das Harderhaus gestanden.
Im Klosterarchiv in Itzehoe ist davon schon 1542 von geschrieben
worden. Der Wischhoff ist die Melkstelle gewesen,
wo der Kuhharder die Kühe aus dem ganzen Dorf zusammen
getrieben hat.
Weiter längs an
der Straße, die Twiet heißt, liegt ein Haus mit einem
Schweinestall. Hier wohnt Hermann Hein. Er hat den Krieg auch
mit gemacht. Vorher hatten da ein Jansen und ein Baufeld
gewohnt. Der letzte kaufte die kleine niedliche Strohdach Kate
von Clas Büntz. Der riss die Kate nieder und baute sie neu
wieder auf. Cl. Büntz gehörte nach Wiedenborstel hin auf den
großen Kohn-schen Hof. Sein Sohn, der nun in Hamburg wohnt, hat
mir mal erzählt, wenn sein Vater sich nicht so früh
verheiratet hätte, wäre er Bauer in Wiedenborstel geworden. Da
hat früher ein Büntz gewohnt. In den ersten Jahren als er
verheiratet war, ist er immer nach Wiedenborstel zum Arbeiten
gegangen. Vor Clas Büntz hat ein Steen und Bartels in der Kate
gewohnt. 1827 hat Bartels von Harm Gloy’s Wiese ‚Grotenhoff‘
eine Ecke für seinen Garten bekommen. 18 Quadrat-Root für 50
Mark. Dafür musste er jedes Jahr, so lange er lebte, in der
Ernte Roggen mähen. Aufbinden musste er für die Kost. 1873 hat
Clas Büntz 9 Aar -72 Quadratmeter – zu gekauft. Was das
gekostet hat, ist nicht bekannt geworden.
Das Haus, das nun kommt, gehört
zu Carolinenthal, die die Zweipferdestelle dazu gekauft hatten.
Früher haben hier Chr. Gehrken, Johann Biehl und zwei
Generationen Bestmann gewohnt. Da war hier auch die Dorfschmiede. Vorher ist da ein Schmied Stäcker drauf gewesen.
Nun wohnt hier Friedrich Lahann schon 30 Jahre. Sein Vater hat
hier auch schon in Rade gewohnt und vorher in Fitzbek. Auch
Friedrich hat den Krieg mit gemacht.
Nun kommen wir in die andere
Straße, die Steendamm genannt wird. Zuerst kommt da ein kleines
nettes Haus, das Paul Tietje aus Kellinghusen gehört. Früher
war er hier Maler und hat nun das Haus vermietet. Als das Haus
gebaut wurde, ist im Krug (nebenan Törper) groß Richtfest gefeiert worden. Da
waren viele Leute zusammen gekommen. Auf der großen Diele waren
Tische und Bänke hingestellt worden. Da gab es Kaffee und
Korintenstuten-Butterbrot, Puffer und Teekuchen. Jeder konnte so
viel essen, wie er mochte, und einige haben sich dann allerhand
zu Gutes getan. Nach dem Kaffee wurde rüber gegangen zum Haus
und der Kranz raufgesungen. Dann hielt der Zimmergeselle die
Richtrede. Er hatte seinen großen Hut abgenommen und sah immer
vor sich runter. Die Rede hatte er in seinen Hut gelegt und las
sie ab. Nach der Rede wurde eine Flasche Wein hinunter geworfen,
was Glück bedeutet. Dann wurde im Krug tüchtig getanzt. Draußen
auf der Bleekstelle war ein Tanzzelt aufgestellt worden. Auch
eine Kegelbahn, die erst neu angelegt worden war, wurde tüchtig
gebraucht. Das war ein schönes Dorffest.
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Dieses war der alte Dorfkrug, bevor Clas Törper
das Anwesen und das kleine Häuschen im Hintergrund
auf der anderen Straßenseite kaufte. Clas Törper
riss den Dorfkrug ab und baute neu.
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Denn kommt ein
Haus, da wohnt Clas Törper. Er hat auch den Krieg mit gemacht.
Jasper, sein Vater hat sich hier angekauft und das Haus gebaut.
Das alte war baufällig und abgebrochen worden. Vor Törper
wohnten hier zwei Generationen Tietje und weiter zurück Runge
und Harder. Auf der Stelle war früher der Dorfkrug und eine
Grützmacherei am Bullenbach. Bei Harder war nur ein Junge, der hieß Johann.
Er war recht weit mit seinen Gedanken zurück, deshalb bekam
seine Schwester Marieken die Stelle, die sich mit einem Runge
verheiratete. Marieken war eine beachtliche Wirtsfrau, die die
Gäste schön unterhalten konnte. Vor allem mochte sie gerne
Karten spielen, auch als sie schon im ‚Abschied‘ war.
Mariekens Tochter verheiratete sich mit Paul Tietje. Nachher
übernahmen drei von seinen Kindern die Stelle, Hannis, Maria
und Clas, die nie verheiratet waren. Zuletzt verkauften sie die
Wirtschaftskonzession an Paul Andersen.
Bei Paul Tietje war mal
eine politische Versammlung, wo ein Sozialdemokrat gesprochen
hat. Das ganze Dorf war da gewesen und auch von den
Nachbarsdörfern waren Zuhörer gekommen. Beim Sprechen hat der
Redner immer mit der Hand geschlagen und mehrmals zu Marx
Harbeck rüber gezeigt. Marx war der Höker im Dorf und mochte
gern einen kleinen Grog. Die Bauern, die Marx hoch nehmen
wollten, sagten ihm: "Der hat mit dem Finger auf dich gezeigt,
das lass dir nicht gefallen." Als die Versammlung aus war, wurde
in die Stube gegangen zum Reden und Trinken. Immer wieder wurde
Marx angestoßen und angeheizt, bis er zuletzt auf den Redner
los ging und sagte:“ Du hast mit dem Finger auf mich gezeigt.
Das lass ich mir nicht gefallen. Du sollst was auf die Schnauze
haben, du!“ Der
Redner war stillschweigend sehr schnell weg gelaufen, sonst hätte er wohl ein blaues
Auge bekommen und die anderen hätten sich gefreut. Das war der
erste Sozialdemokrat hier im Dorf gewesen, denn die Leute waren
hier doch alle konservativ.
Im Sommer 1879 ist am Krug mal
eine große Überschwemmung gewesen. Ein Wolkenbruch und ein
Gewitterschauer hatte den Hennstedter Fischteich durchbrochen. Die Wiesen schnell blank
gewesen. Beim Krug, wo der Bullenbach einen Bogen macht und eine Brücke
rüber ging, hatte sich das Wasser gestaut. Die Brücke war bald
zerstört, so dass kein Wasser mehr ablaufen konnte. Es war so hoch
gestiegen, dass die Enten auf der großen Diele schwammen. Die
Krögersch sah ganz schrecklich aus und hatte auf der Treppe
gesessen und geweint. Am anderen Tag war alles wieder abgelaufen
und hatte nicht besonders viel Schaden gemacht.
Im Krug war das immer sehr gemütlich.
Sonntagnachmittags, wenn die Bauern im Feld rum gewesen waren,
ihr Korn und Vieh besehen hatten, wozu alltags keine Zeit war,
wurde noch ein paar Stunden zu Krug gegangen. Da wurden
Neuigkeiten ausgetauscht und bisschen gekegelt. Auch Fitzbeker
und Lockstedter kamen mit rüber.
Das kleine Pfannenhaus auf der
anderen Straßenseite, das nun kommt, ist durch das Erbhofgesetz
das Altenteilerhaus von Törper geworden. Hier wohnt Clas Törper,
seine Mutter und Schwester. Das Haus hat der Schneider Hans Kröger
gebaut, der nachher mit seiner ganzen Familie nach Amerika ging.
Er ist noch drei Mal wieder hier gewesen. Er sagte immer, die
deutsche Fahne zog ihn wieder in die Heimat. Das letzte Mal hat
er eine mitgenommen. So ist das, ein alter Baum ist schwer zu
verpflanzen. Hans Harbek, ein Sohn von Marx Harbek, hat das Haus
auch gehabt.
An diesem Haus ganz dicht dran
stand früher eine ganz uralte Kate, die 1801 wegen Baufälligkeit
abgebrochen worden ist. Auf dem Großtürbalken stand eine
Inschrift, aber was das geheißen hat, ist nicht mehr
festzustellen. Damals ist da ja nichts drauf gegeben worden. Ich
glaube, den 30jährigen Krieg hat die Kate schon miterlebt.
Vielleicht ist sie ja noch älter gewesen. Die Kate gehörte
Johann Ibs und vorher hat sein Vater und Großvater, Johann
Mattias und Clas Ibs, da auch schon gewohnt. Dabei sind auch 10
Tonnen Land gewesen, die Johann Mattias verkauft hatte. Johann
Mattias war Zimmermann. Ein Enkel von ihm wohnt noch im Dorf.
Auf einer Seite der Kate wohnte Lena Steckmest mit ihrem Klas.
Klas konnte nicht viel arbeiten. Die Arbeit ging ihm nicht von
der Hand, wie man so sagt. Am Liebsten mochte er Knicks ausroden.
Sommertags, wenn es sehr heiß war, hatte er keinen Hut auf,
dann wand er sich Hopfenrank um den Kopf. Er sagte, das kühlte
so schön. Klas war auch schwerhörig und Lena hatte viel mit
ihm zu tragen. Lena wusch und flickte für die Knechte. Im
ganzen Dorf musste sie Ferkel greifen. Sie konnte bestens mit
den bösartigen Säuen umgehen. Für jedes lebendige Ferkel
bekam sie einen Groschen. Wenn es Nacht war, konnte sie sich
hinten im Schweinestall, wo meistens der Schmorkessel und der
Waschgrapen war, eine Tasse Kaffee kochen, damit sie sich besser
vorm Schlaf schützen konnte. Sommertags arbeitete sie mit beim
Bauern. Oft bekam sie auch bisschen Klingelbeutel- und
Klostergeld. Sie konnte sich gut helfen.
Gegenüber das
Haus gehört zu Carolinenthal. Früher wohnte hier Aug. Wensien,
der die Stelle verkauft hat. Davor hat da Jochen Arp gewohnt.
Aug. Wensin war eigentlich Tischler. Jetzt war er Fuhrmann und fuhr
für Geld.
Er hatte zwei kleine bunte Pferde. Sehr gerne mochte er rauchen.
Wenn er die Milch zur Meierei fuhr und tüchtig auszog, wussten
die Pferde Bescheid, nun geht’s los. Er war ein Kampfgenosse
von 1870 und konnte sehr viel erzählen. Hier wohnen nun zwei
Familien, die beide auf Carolinenthal arbeiten. Robert
Schleifert hat den Weltkrieg mit gemacht und hat das Eiserne
Kreuz 1. Klasse bekommen.
Bisschen weiter längs, auf der
anderen Seite der Straße, liegt ein kleines Pfannenhaus, das
sich Haddi Voß gebaut hat. Er war Schuster und seine Frau hatte
eine Hökerei dabei. Die jungen Leute aus dem Dorf gingen viel
zu ihr hin, da gab es immer was Neues zu wissen. Gelegentlich
wurde auch mal gefragt, ob die Stiefel und Schuhe schon fertig
waren. Die Knechte kauften sich Tabak und Bonbons; auch hatten
sie frei rauchen so lange was im Kasten war. Der Kasten stand
immer auf dem Tisch. Viele waren schon so schlau, wenn sie
gerade vor seinem Haus waren, stopften sie in die Pfeife einen
kleinen Zigarrenstummel und rauchten. Sie hatten sich gerade
hingesetzt, da war der Kopf wieder leer und sie konnten sich neu
einstopfen. Dann stopften sie aber so fest und voll, dass sie
kaum Luft hindurch bekamen. Das war dann ein Qualm in Haddis
Stube, dass einer den anderen kaum sehen konnte. Der Tabak
roch nicht gerade nach Rosenduft, denn in seinem Kasten war
allerhand Gemisch drin. Als die Schusterei nicht mehr so richtig
gehen wollte, wurde Haddi Amtsdiener und im Haus wurde ein
Gefangenenlokal gebaut, was nicht gerade viel genutzt wurde.
Eine kleine Koppel war dabei, wo Roggen und Kartoffeln angebaut
wurde. In den letzten Jahren schaffte Trina sich einen kleinen
Hund an, in dem sie ganz vernarrt war. Mit Haddi hatte sie keine
Kinder. Sie war recht nusselig und die Hökerei wurde auch
weniger. Die Hökerwagen, der rum fuhr, machten ihr auch viel Konkurrenz. Haddi
war auch ein Kampfgenosse von 1870. Alle beide sind nun schon
tot. Jetzt wohnt da der Maler Hermann Grewe, der das Haus vergrößert
hat. Den Weltkrieg hat er auch mit gemacht.
Auf derselben Seite, das andere
Haus, gehört wieder zu Carolinenthal. Hier hat früher Hans
Rawe gewohnt und nachher zwei Stiepers, Clas und Hans. Der
letzte verkaufte die Stelle. Nun wohnen da zwei Familien drin,
einer arbeitet auf dem Hof.
Gegenüber ist ein Bauernhof, wo
Göttsche in der 4. Generation drauf wohnt. Früher haben die Häuser
mitten im Wischhoff gestanden bei dem alten Krug. Da sind sie
abgebrannt. 1857 sind sie neu von Hinneri Göttsche aufgebaut
worden. Sein Sohn Markus hat die Stelle auseinander gebaut und
an zwei seiner Söhne, Hinneri und Rudolf, abgegeben. Das neue
Haus steht ein bisschen weiter längs und ist 1909 gebaut
worden. Hinneri und Rudolf haben beide den Weltkrieg mit gemacht
bei der Artillerie, wo ihr Vater auch schon gedient hat. 6 Söhne
und 2 Schwiegersöhne haben alle den Krieg mit gemacht. Einer
ist an einer Verwundung gestorben. Die anderen sind alle gesund
wieder gekommen.
Das Haus, das denn kommt, gehört
Hinneri Harbeck. Der Chausseewärter Steffen Rohwer hat es 1895
gebaut und verkaufte es 1900 an Hans Gloy. Nach dessen Tod
verkauften die Erben an Maler Grabke und der verkaufte es an
Hinneri Harbeck. Hinneri ist Mauermann und Bauunternehmer, auch
hat er eine Hökerei dabei, die seine Frau Agnes betreibt. So
ein bisschen Kaufmannsblut steckt wohl in Hinneri. Sein Großvater
Marx Harbeck, wie ich schon geschrieben habe, war auch ja Höker
im Dorf. Hinneri hat als Landwehrmann den ganzen Krieg im Westen
mit gemacht und hat viel durchmachen müssen.
Nun kommt Wilhelm Hein mit einem
Haus, der auch in der 3. Generation im Dorf ist. Sein Vater
Hinneri Hein hat das Haus 1886 gebaut. Hinneri war ein
Kampfgenosse von 1870. 20 Jahre nach dem Krieg haben sie ihm
noch einen Granatsplitter aus dem Arm genommen. Bis zu seinem
Tod bekam er Kriegsrente. Er hatte einen recht großen
Bienenhagen, backte Torf und arbeitete beim Bauern. Die letzten
Jahre musste er dem Gärtner auf Carolinenthal helfen. Wilhelm
Hein arbeitet auf dem Hof.
Die kleine Pfannenkate, die nun
kommt, mit all den schmucken Rosen, gehört Hannis Ibs, der auch
schon in der 4. Generation ansässig ist. Hannis hat die Kate
1901 von seinem Onkel Hans Ibs gekauft. Eben nach dem 70er Krieg
hat er sie bauen lassen. Hannis hat den Krieg als Landsturmmann
mit gemacht und war ziemlich die ganze Zeit auf der Insel Sylt.
Nun kommt der Krug, das letzte
bewohnte Haus im Dorf. Das ist 1901 von Paul Andersen aus
Willenscharen gebaut worden. 1919 hat er es an Hannis Schippmann
aus Breitenberg verkauft. Sie haben beide den Weltkrieg mit
gemacht; Paul Andersen als Landwehrmann und Hannis Schippmann
hat das Eiserne Kreuz 2. Klasse bekommen. Hier im Krug sind schöne
große Stuben. Eine Poststation ist auch dabei. Zwei
Autobuslinien halten hier vor der Tür. Die eine fährt von
Kellinghusen nach Nortorf mit Anschluss nach Kiel, die andere
von Hohenwestedt über Bramstedt nach Hamburg.
Gegenüber dem Krug ist der
Dorfs- und Feuerwehrteich, der leider in den letzten Jahren
meist trocken gelegen hat. Der Wasserspiegel ist wohl gesackt,
denn an den Bachquellen ist immer mehr abgeholzt und Weideland
daraus gemacht worden. Das Spritzenhaus steht hier auch. Es ist
1898 gebaut worden. Da wurde auch unsere kleine Dorffeuerwehr
gegründet. Das gab damals recht viel Beihilfe von der Provinz für
die Spritze und die Röcke, so dass die Bauerngemeinde wenig
Kosten davon gehabt hatte. Früher gehörte Rade mit
zur Fitzbeker Spritze, was sehr weitläufig war. Ehe die Spritze
hier war, konnte das ganze Dorf abbrennen. Als die Feuerwehr
gegründet wurde, gab es viele Gespräche im Dorf. Führer
wurden gewählt, abends nach Feierabend wurde exerziert und die
Spritze probiert. Das Beste aber war jedes Jahr der Feuerwehrball, der wintertags mit ein paar Theaterstücken
abgehalten wurde. Das brachte dann immer viel Spaß im Dorf und
Anstalten wurden gemacht. Die Theaterstücke mussten eingeübt
werden. Einige hatten eine Menge zu lernen und sagten ihre
Lektion beim Grützekochen auf. Da kamen immer viele Leute
zusammen, auch aus den Nachbarsdörfern. Das war ein schönes
harmonisches fest, worüber immer lange gesprochen wurde. Das
Spritzenhaus ist das letzte im Dorf.
Nun will ich mit dem Leser zu
Krug gehen, da er so nahe ist, und bei einem Glas Grog und einer
Pfeife voll Tabak wollen wir das alles noch mal gehörig
durchschnacken. Der Leser wird dann zu der Überzeugung kommen,
dass Rade ein kleines gemütliches Bauerndorf ist, mit Leuten,
die alle lange auf der Scholle gesessen haben, und die immer
viele Jahre in ihrem Heimatdorf geblieben sind.
Bei uns ging
es hier auch immer
Hand in Hand. Klassenunterschiede gab es nicht. Wenn bei den
Bauern Schweinsköste (Schlachtung)
war, bekamen die bedürftigen Leute immer einen kleinen Braten
ab. Auch wenn sonst was los war, wie Hochzeit, Kindgeburt oder
Trauermalzeit, dann kam immer ein Topf voll frischer Suppe zu
den bedürftigen oder alten Leuten.
Mögen die
Einwohner auch immer stark sein und den Kampf im Leben bestehen
ihrer Heimat wegen. Ja, die Heimat, das Elternhaus bleibt für
alle, die da geboren sind, eine heilige Stelle. Für alle, die
in der Fremde ihr Brot gesucht haben, soll die Tür immer offen
bleiben. Die Eltern, die uns Hof und Haus überlassen haben,
sollen wir immer ehren und danken. Die Familien mögen sich
immer zusammenschließen zur Haus- und Dorfgemeinschaft für
Volk und Vaterland. Ein geschlossener Volkswille ist nie
unterzukriegen, zu bekämpfen
und zu besiegen. Volksgrenzen gibt es nicht und Staatsgrenzen
sind nur Linien.
Allerdings muss der Bauer tüchtig
arbeiten. Er kennt keinen Achtstundentag. Wenn es mal ein
Seuchenjahr oder eine Missernte gibt, muss er ein ganzes Jahr
oder mehr umsonst arbeiten. Er tut es, und sagt sich, von meinem
Leben und meiner Arbeit hängt das ganze Vaterland ab.
Bauernseele ist Volksseele.
Früher gab es
ein Bild, wo 8 Stände drauf waren. Bei den ersten ging es
bergauf, bei den letzten bergab.
Zuerst kam der Kaiser in einem
purpurroten Mantel mit einem Zepter in der Hand und finsterem
Blick. Darunter stand: “Ich fordere den Tribut!“
Dann kam
der Edelmann, der sah etwas freundlicher aus: „Ich
habe ein freies Gut“.
Der dritte war der
Priester:
„Mir gehören die Stollgebühren“.
Der vierte, der Soldat in
voller Montur: „Ich bezahle nichts“.
Und der Bettler
im zerrissenen Anzug: „Ich habe nichts“.
Zuletzt kam
der Bauer im langen alten Bauernrock, mit ernstem Gesicht,
blickte zu den anderen rauf. Er stand bei einem vollen
Kartoffelsack, hatte den Hut abgenommen, die Hände gefaltet auf
den Sack gelegt, und sagt: „Ich lasse den lieben Herrgott
walten – ich muss euch doch alle sechs erhalten“.
Ja so ist
es und bleibt es, mag kommen was da will, da ist nicht dran zu
machen. Mag sich einer noch so sehr mit seinem Geldsack
brüsten, wenn der Bauer nichts hat, dann haben sie alle nichts.
Das hat uns besonders der Weltkrieg gelehrt. Deshalb haben wir
auch das Erbhofgesetz bekommen, dass wir unseren Elternhof ganz
erhalten können. Wir wollen hoffen und wünschen, dass das
lange so bleiben mag. Alle zusammen müssen wir unsere Pflicht
tun, um das nationale und persönliche Erbgut von Volkstum und
Heimat zu erhalten. Möchte jeder sich über die deutsche
Einheit freuen und sich immer wieder das vor Augen führen, was
die Soldaten im Weltkrieg für die Heimat, für uns getan und
ausgehalten haben. Wenn sie in Not waren und den Tod vor Augen
hatten, haben sie doch zuerst an Vater und Mutter, an Frau und
Kind, an Haus und Hof gedacht, überhaupt an all die Schätze,
die das Wort „Heimat“ einschließen.
Die
Schülerinnen und Schüler Fitzbek-Rade 1916
mein
Vater der zweite oben rechts
.
Zum
Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wurden nur noch
vier Betriebe in Rade bewirtschaftet:
Peter
Bestmann, der den Hof von seinem Adaptivvater Rolf
Göttsche übernommen hatte,
Dirk
Gloy, Hermann Thun und Dr. Niedig, Gut
Carolinienthal, dessen Onkel es von v. Thielen
gekauft hatte.
Die
Ländereien der stillgelegten Höfe blieben im Dorf.
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